Ärger mit dem Heu? Richtiger Umgang mit dem Pferde-Grund-Nahrungsmittel

Ärger mit dem Heu? Richtiger Umgang mit dem Pferde-Grund-Nahrungsmittel

{jcomments on}Bei der Pferdefütterung bilden Gras und seine getrocknete Form, das Heu, die beiden Grundpfeiler, wobei das Heu optimaler Weise den größeren Anteil haben sollt. Leider gibt es um die Fütterung in Ställen immer wieder Ärger und Probleme, sei es bei der Mengen-Frage, der Abrechnung oder der Qualität. Dabei muss das nicht sein.

Ganz gleich, ob im Boxenstall oder auf Paddock-Trails, Heu stellt für Pferde den wichtigsten Teil der Ernährung da. Wer gutes Pferde-Heu verfüttert, kann sich viele Probleme und Krankheiten ersparen. Das fängt damit an, dass man schon bei der Herstellung alles richtig macht. Im ersten Teil unseres Artikels geht es um grundsätzliche Fragen der Heuherstellung und –qualität. Im zweiten Teil werden wir darauf eingehen, wie man den Umgang mit dem Thema Heufütterung als Stallbetreiber elegant lösen kann.
Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle übrigens an die Futterexpertin Constanze Röhm (Futterberatung Röhm https://www.futterberatung-roehm.de), die an diesem Artikel mitgewirkt hat. Sie hat einige Bücher zu diesem Thema geschrieben.

Was ist gutes Pferde-Heu

Heu, das für Pferde geeignet ist, unterscheidet sich von Heu, wie es zum Beispiel Kühe erhalten. Angefangen bei den Grassorten. Leider sind die meisten Wiesen mit Gräsern besäht, die aufgrund ihres hohen Energiepotenzials eher für Kühe geeignet sind. Der Rohfaseranteil liegt dafür jedoch oft recht niedrig. Wer eine Wiese nutzen kann, auf der für Pferde passendere Gräser stehen, kann sich glücklich schätzen. Aber auch mit „Kuhgräsern“ können Pferde gefüttert werden.

___STEADY_PAYWALL___

 


Das Gras für Pferde-Heu wird später geschnitten, als das für Kühe. Als Faustregel gilt hier ein Zeitpunkt von Mitte bis etwas nach der Gräser-Blüte. Je später, desto rohfaseriger wird das Gras, allerdings auch inhaltsärmer und anfälliger für braune Stellen oder sogar Schimmel. Hier gilt es, den richtigen Schnittzeitpunkt abzupassen, der jedoch fast immer durch die Wetterlage mitbestimmt wird.
Zudem sollte der Schnittpunkt ca. 10 cm über dem Boden liegen, damit möglichst wenig Staub und anderes unerwünschtes Material beim Pressen aufgenommen wird. Geht es daran, das abgemähte, mehrfach gewendete und gut getrocknete Gras in die Scheune einzubringen, muss man eventuell Kompromisse in Bezug auf die maximal mögliche Qualität eingehen. Perfekt wäre es für Pferde, wenn das Heu lose eingefahren würde, da es nach der endgültigen Trocknung weniger staubig ist, da kaum Halme brechen. Der Nachteil liegt jedoch im hohen Arbeitsaufwand, den loses Heu bei der Fütterung mit sich bringt.
Kleine Quaderballen sind auch eine gute Lösung, jedoch zunehmend schwerer zu bekommen, da immer weniger Maschinen dafür existieren. Zudem ist auch hier der Arbeitsaufwand recht hoch und erfordert oft viel Muskelkraft und viele helfende Hände beim Einlagern. Der Quasi-Standard sind heute Rundballen, die in verschiedenen Durchmessern produziert werden. Wenn möglich sollten diese möglichst locker gepresst werden, um eine spätere starke Staubbildung zu verringern und eine bessere Durchlüftung zu ermöglichen. Rundballen erfordern einen relativ geringen Arbeitsaufwand, der sich zudem mit wenigen Maschinen gut bewältigen lässt. Im Notfall kann ein Rundballen aufgrund seiner Form auch von Hand gerollt werden.

 


Große HD-Quaderballen sind im Pferdebereich zwar auch zu finden, aber sehr häufig zu fest gepresst, sodass die Heuqualität leiden kann. Zudem lassen sich diese aufgrund ihres Gewichts eigentlich nur noch mit maschineller Hilfe bewegen.
Hier gilt es abzuwägen, welche Möglichkeiten sich ergeben. Wer zwei oder drei Pferde versorgen muss, kann eher mit losem Heu oder kleinen Ballen arbeiten, als ein Pensionsstall mit 60 Einstellpferden. Kompromisse sind unumgänglich, aber durchaus – mit den richtigen Überlegungen - machbar.
Der zweite Schnitt einer Wiese ist für Pferde in aller Regel nicht mehr geeignet, da er oft nicht mehr zur Blüte kommt, sodass der Rohfaseranteil des Heus zu gering ausfallen würde. Es gibt Pferde, die den zweiten Schnitt gar nicht erst mögen und es gibt welche, die ihn gerne fressen. Allerdings ist aufgrund der geänderten Zusammensetzung hiervon abzuraten. Falls in einem Jahr ein dritter Schnitt erfolgen sollte, gilt auch hier: Besser nicht an Pferde verfüttern.

Qualität erkennen

Immer wieder liest man von Fällen, in denen Einsteller ihre Stallbetreiber beschuldigen, schlechtes Heu zu verfüttern. Doch wie erkenne ich, was gutes Heu von schlechtem unterscheidet? Auch für Stallbetreiber ist diese Frage durchaus von Interesse.
Grundsätzlich sollte Pferdeheu trocken sein und aromatisch nach Heu und Gräsern riechen. Weder muffig, noch nass oder gar schimmelig. Die Farbe wechselt im Laufe der Lagerung von einem anfänglichen frischen Gelb-Grün zu einem zunehmenden verblasenden Gelb mit leichten Grünanteilen. Der Geruch bleibt aber immer frisch. Sollte Heu eine Art Brandgeruch aufweisen, kann das auf eine Überhitzung bei der Trocknung hinweisen.
Im haptischen Test sollte sich das Heu rau anfühlen und sehr viele Stängel enthalten und kaum Blätter. Bei Knicken der Halme sollten nahezu alle Halme durchbrechen. Wäre dem nicht so, wäre das Heu zu weich und seine Zusammensetzung für Pferde weniger geeignet. Weiches Heu kann aber auch auf einen zweiten Schnitt deuten, jedoch sind hier weniger bis keine Blüten zu erkennen und die Halme sind oft etwas kürzer, als beim ersten Schnitt. Sind zu viele Stängel im Heu und fühlt es sich zu hart an, kann das auf einen zu späten Mähzeitpunkt hinweisen. Das ist jedoch nicht ganz so schlimm, wenngleich das durch die etwas schlechtere Verdaulichkeit zu Verdauungsproblemen führen kann.

 


Gutes Heu darf auch keine Verunreinigungen aufweisen oder zu stark stauben. Im Optimalfall hat ein Heuballen keine feuchten Stellen, wobei es hier Unterschiede geben kann. Ist ein Ballen beim Transport nur kurz nass geworden, kann er in aller Regel sofort verfüttert werden, eine Lagerstelle, auf der ein Ballen jedoch monatelang in der Nässe gelegen hat, ist schon schwieriger. Schimmelige oder faulige Stellen sollten die Alarmglocken angehen lassen. Solche Ballen gehören auf den Mist und nicht in die Pferderaufe, denn die oberflächlichen Stellen lassen vermuten, dass der komplette Ballen mit Schimmel oder Bakterien durchzogen sein könnte. Auch ein oberflächlicher, trockener Schimmelbefall ist ein Indiz, den Ballen besser nicht zu verfüttern.
Auch wenn es schwer fällt, einen kompletten Ballen zu entsorgen, vor allen in Jahren mit Heuknappheit und entsprechend hohen Preisen, so sind die Folgekosten für den Tierarzt und die Folgen für die Pferdegesundheit höher, ganz zu schweigen von Einstellern, die deswegen kündigen und deren Einnahmen dann fehlen.
Falls man sich nicht sicher ist, ob das Heu wirklich für die Verfütterung an Pferde geeignet ist, sollte man im Labor eine Heuanalyse vornehmen lassen. Damit weiß man, welche Stoffe darin enthalten sind und welche Qualität vorliegt.
Wer noch mehr zu diesem Thema wissen möchte, was wir an dieser Stelle nur anreißen können, dem sei eines der vielen Bücher empfohlen, die sich mit Heu für Pferde im Detail beschäftigen.

Die richtige Lagerung

Nachdem das Heu gepresst wurde oder lose verladefertig ist, geht es an die richtige Lagerung. Perfekt sind hierfür Wetter-geschützte, trockene und gut durchlüftete Räume in Scheunen oder Hallen. Eine Lagerung draußen unter Planen auf Paletten ist zur Not auch möglich. Wichtig ist, dass das Heu vor der ersten Verfütterung einige Wochen nachreifen kann. Hier scheiden sich die Geister, welcher Zeitraum zu wählen ist. Man liest von zwei bis 12 Wochen oder sogar noch länger. Würde man nicht ausreichend lange gelagertes Heu verfüttern, kann es zu Koliken kommen, muss es aber nicht. Um hier ein Risiko auszuschließen, sollte man eine Lagerfrist von 8 Wochen oder sogar etwas länger einplanen, um auf der sicheren Seite zu sein. Wird der Vorrat aus dem vorherigen Jahr schon knapp, ist es sinnvoller, lieber einige Ballen hinzuzukaufen und das frische Heu noch etwas ausreifen zu lassen.

 

Hier warten die Ballen der Ernte in "Seitenlage" darauf, auf den Heuboden transportiert zu werden.

 

So sollte Heu zum Trocknen gelagert werden: "Hochkant", sprich auf den Stirnseiten stehend und von unten gut belüftet, wie z.B. hier durch Lagerung auf einer Palette aus Holz.


Damit dieser Reifeprozess richtig funktioniert, sollten die Ballen hochkant auf der Stirnseite stehen, sodass Luft von unten nach oben gelangen kann. Eine Lagerung auf Paletten ist perfekt, denn dann kann Luft von allen Seiten an den Ballen. Bei Betonböden ist das sogar Pflicht, da es sonst schnell zur Schimmelbildung kommen kann.
Teilweise wird auch empfohlen, Ballen mit Kuhsalz zu bestreuen, allerdings zeigt die Erfahrung, dass bei richtiger Lagerung dieser Schritt kaum nötig ist.

Die richtige Menge

Fragt man Stallbetreiber und Pferdebesitzer nach der richtigen Menge Heu, die ein Pferd pro Tag bekommen soll, so unterscheiden sich die Antworten oft deutlich. Zunehmend verbreitet sich die „Ad libidum“-Fütterung, bei der rund um die Uhr Heu zur Verfügung steht und die Pferde selber entscheiden können, ob, wann und wie viel sie fressen möchten. Die Idee ist gut, jedoch verträgt nicht jedes Pferd eine ad-libitum Heufütterung schadlos, denn je nach Erntejahr können für einige Rassen sowohl der Zucker- als auch der Eiweißgehalt zu hoch oder manchmal auch zu niedrig sein. Daher sollte die Grundregel lauten: Pferde brauchen freien Zugang zu Raufutter.

 

Paletten aus Holz sorgen für ausreichende Luft von unten. Diese sollten aus möglichst unbehandeltem Holz sein. Es lohnt sich, bei Firmen in der Umgebung anzufragen, ob die Paletten kostenlos abgeben. Druckereien sind hier ein besonderer Tipp.

 

Ist das Heu schon vollständig getrockent und muss nur für einige Zeit zwischengelagert werden (bis es verfüttert wird), kann es auch in Seitenlage liegen, sodass es sich leichter rollen lässt. Wichtig hierbei ist auch, dass die Ballen von unten genügend Luft bekommen.


Dabei muss man beachten, dass Raufutter viele Gesichter hat und nicht nur Heu oder Heulage, sondern auch Stroh und ungiftige Hölzer in Form von dünnen Zweigen umfasst. Wieviel das Pferd schlussendlich frisst, ist abhängig vom Exterieur des Pferdes. Je bauchiger (nicht fett) und rundrippiger ein Pferd ist, desto mehr wird es fressen, denn die Sättigung ist abhängig von einer ausreichenden (nicht maximalen) Füllung des Darmes. Und das dauert nun mal eine Weile. Und je „runder“ das Pferd ist, desto später ist es satt. Das führt dazu, dass man rundrippe Rassen eher als „Vielfraß“ tituliert als schmalrippige, die aus diesem Grunde einfach weniger fressen. Fressen müssen sie jedoch beide und man sollte sich davor hüten ein Pferd hungern zu lassen, denn neben den Auswirkungen auf die Psyche haben Reduktionsdiäten durch Raufutterentzug einen hohen Preis. Von Kolik zu Magen- und Darmentzündungen, Masse- und Muskelverlust bis hin zu Schwächen im Immunsystem und Hufrehe durch Mangelernährung. Kotwasser und Aufgasungen, Koliken und natürlich die komplette System- und Stoffwechselentgleisung EMODS. Die Liste ist lang.

 


Besteht die Raufutterration für einen rundrippigen Gesellen nur aus Heu, kann das dazu führen, dass das Pferd sehr schnell dick wird, sofern das Heu sehr energiehaltig ist. Im Volksmund nennt man diesen Effekt „Leicht- oder Schwerfutterigkeit“. In der Realität ist die Sachlage etwas komplexer, denn neben der Sättigung gibt es auch weitere größere genetische Varianzen zwischen einzelnen Rassen, die den „Bedarf“ an Energie, Eiweiß, Menge- und Spurenelementen sowie Vitaminen eines Pferdes ausmachen.

In Deutschland trifft man gelegentlich noch immer auf überalterte Faustformeln zur Heufütterung, die jedoch die Bedürfnisse des Pferdes an Raufutter nur unzureichend beachten. Laut diesen Formeln soll man 1-1,7 kg Heu pro 100 kg Körpermasse anbieten. Füttert man nach dieser Regel, bringt man vor allem die rundrippigen Pferde schnell in die Bredouille. Sie haben Hunger. Und aus einem Hüngerchen wird schnell eine handfeste Störung im Sozialverhalten (Lethargie und Aggression) und im Fressverhalten (Schlingen und Fresshektik). Wenn man es genau betrachtet, könnte man die Fütterung nach solchen Faustformel sogar als einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz §2 werten.

Neue Formeln helfen dem Pferd

Faustformeln werden selten Pferden wirklich gerecht, denn man füttert nicht nach „Lebensrealität“. Daher muss die neue Faustformel lauten: Die Ration basiert auf ad libitum Raufutter und muss individuell auf das Pferd zugeschnitten sein.
Dazu misst man die gesamte Raufuttermenge, die das Pferd in 12 oder 24 Stunden aufnimmt. Füttert man Mischrationen aus Heu und Stroh, sollte nicht mehr als 1/3 Stroh in der Gesamtration angeboten werden. Viele Pferdeleute sind immer wieder verwundert, wenn ihr Pferd problemlos 18 kg Raufutter verspeist. In der Regel liegt die Appetitsgrenze nämlich bei rund 3 % des idealen Körpergewichtes. Bei sehr kräftigen Rassen sogar schon mal darüber. Und dann ist kluges Rechnen gefragt: Wieviel Heu und wieviel Stroh muss und darf in der Ration sein, damit das Pferd im Idealgewicht bleibt.

 


Wieviel Energie und Eiweiß in Raufutter enthalten ist, hängt von der Mähweide, aber auch von den Wettergegebenheiten und der Bodenqualität ab. Je nach Ernte und Weide kann das Heu in Energie und Eiweiß enorm schwanken, weswegen es keine gute Idee ist, sich auf „Richtwerte“ aus Lehrbüchern zu stürzen. Und während die Heuernte bundesweit in 2016 sehr niedrige Energie und Eiweißwerte zeigte, ist die Heuernte aus 2017 sehr unterschiedlich. Es ist also enorm wichtig, einmal im Jahr eine Heuprobe im Labor analysieren zu lassen. Anders ist eine sinnvolle Rationsgestaltung nur schwer möglich. Weiß man, was im Heu enthalten ist, kann man die Raufutterration zusammenstellen (auch in Offenstallgruppen) sowie Mineral- und Kraftfutter passend dazu kombinieren. So entfallen jegliche Futterexperimente und Langzeiteffekte wie Fettleibigkeit, Muskelprobleme oder struktureller Zerfall werden beinahe unmöglich.