CHIO 2018 – Madeleine Witte-Vrees und die Gelbe Karte

CHIO 2018 – Madeleine Witte-Vrees und die Gelbe Karte

{jcomments off}{jcomments on}Im Rahmen der Vorgänge am Abreitplatz beim CHIO 2018 wurde die niederländische Reiterin Madeleine Witte-Vrees mit einer Gelbe Karte bestraft. Wir haben Sie gebeten, die Situation, die auf einem Video festgehalten wurde, aus ihrer Sicht zu erläutern.

Die 46 Jährige ist eine erfahrene Reiterin, die zusammen mit ihrem Mann einen Stall betreibt, auf dem ihre 140 Pferde leben. Ihr Mann Nico Witte hat stellvertretend für sie mit uns gesprochen: „Wir freuen uns, dass wir auch unsere Sicht der Dinge erklären können“, sagt Nico Witte und meint weiter: „Wir kommen oft und gerne nach Deutschland auf Turniere, wenngleich viele holländische Reiter das mittlerweile vermeiden, weil es dort ein paar Journalisten gibt, die sie immer im Fokus haben. Doch wir sind da entspannt und haben eine gute Zeit und Deutschland, es macht uns allen viel Spaß und es gab bisher keinen Ärger mit Stewards.“
 
Das Pferd im Mittelpunkt   
Nico Witte betont, dass seine Frau, er selbst und das Team des Stalls überzeugte Pferdeleute sind: „Für uns stehen die Pferde im Mittelpunkt und sind das Wichtigste. Für uns ist es wichtig, dass man Pferde mit Freundschaft und Respekt behandelt, ohne dabei zu vergessen, die Grenzen aufzuzeigen. Sonst macht ein Pferd, was es will und wird unkontrollierbar.“

Eine besondere Herausforderung
Der Hengst Charmeur, der auf dem Video aus Aachen zu sehen ist, ist ein kraftvolles und dominantes Tier, mit einem großen Hengstanteil, wie Nico Witte berichtet: „Er bringt 650 Kilo auf die Waage und manchmal lassen ihn seine Hengst-Gene zu purem Dynamit werden. Meine Frau hat Charmeur angefangen zu reiten. Nach einiger Zeit haben die beiden Freundschaft geschlossen und er vertraute meiner Frau. Wir haben auf verschiedenen nationalen Turnieren gute Ergebnisse erzielt. Meine Frau hat einen guten Job mit ihm gemacht, auch beim ersten internationalen Turnier in Rotterdam.“

Es gibt eine Vorgeschichte
„Wir haben gedacht, dass der CHIO ein tolles Event ist und uns entschieden, Charmeur als zweites Pferd dorthin mitzunehmen, um ihm weitere Turniererfahrung zu geben“, erzählt Nico Witte. „Allerdings gab es Probleme mit einem weiblichen Steward. Ich führte Charmeur im Stallbereich herum und hatte eine kurze Gerte zwischen den Fingern. Ich muss die gar nicht einsetzen, es reicht, wenn er sieht, dass ich die habe. Das ist laut den Regularien erlaubt und ich benötige sie, um Charmeur damit unter Kontrolle zu halten, da er sonst schnell steigt oder beißt. Die Dame sprach mich an und sagte, ich solle diese nicht mehr nutzen, da es verboten sei. Als ich ihr sagte, dass dem nicht so ist, beharrte sie auf ihrer Meinung. Auch mein Hinweis, dass Charmeur ein Hengst und etwas aggressiv ist und es zu größeren Problemen kommen kann, wenn er sich losreißt, weil ich ohne Gerte keine Kontrolle mehr habe, interessierte sie nicht. Mein Hinweis auf meine über 35 Jahre Erfahrung im Umgang mit Zuchthengsten schienen sie nicht zu interessieren und sie notierte mich, um mich im Auge zu behalten.“

 

 

Aufregung in der Menge hat Folgen
Nach dem Mittagessen wurde Charmeur von Madeleine Witte-Vrees auf dem Abreitplatz geritten, was man auf dem Video sieht, wie Nico Witte berichtet: „Madeleine wollte Charmeur aufwärmen. Während sie mit ihm auf den Platz ging, fand in der Main-Arena die Preisverleihung statt und die Leute applaudierten laut. Da das in Aachen alles sehr nah beieinander liegt, war das sehr laut. Das hat ihn aufgeregt und er war schon sehr verschwitzt, als die beiden auf dem Platz ankamen. Für meine Frau bedeutete das beim Reiten, dass sie einen stark erregten Hengst unter Kontrolle bekommen musste. Wir wurden dann von dem weiblichen Steward erneut angesprochen und darauf hingewiesen, dass Charmeur schwitzt. Ich schilderte ihr die Situation und erklärte, warum er das tut. Erzählte der Dame, dass er nervös sei und von der Umgebung beeinflusst. Sie meinte, dass andere Pferde nicht schwitzen würden, woraufhin ich erwiderte, dass Charmeur Angst habe. Für sie war das nicht nachvollziehbar und mein Hinweis, dass andere Pferde schon seit vielen Jahren an solche Situationen gewöhnt seien, Charmeur aber eben nicht, wurde nicht akzeptiert. Mir war klar, dass es falsch war, zu wiedersprechen. Wir hätten uns am besten entschuldigt und wären gegangen. Hinterher ist man leider fast immer klüger.

Missverständnisse?
Laut Nico Witte entwickelte sich aus der Situation ein Gespräch zwischen einem Steward und ihrer Trainerin Anky van Grunsven: „Ich habe mich aus dem Gespräch herausgehalten und erst mal geschaut, wie Madeleine mit Charmeure klar kam. Der Steward äußerte in dem Gespräch Kritik an Madeleines Reitweise, während Anky sagte, dass es doch letztlich nur um das Verhalten von uns gehen würde. Wir boten an, das Aufwärmen abzubrechen und in die ruhigere Halle zu wechseln, damit sich Charmeure wieder entspannen konnte, aber daraus wurde nichts und aus dem Gespräch zwischen Anky und dem Steward entwickelte sich dann die Gelbe Karte für Madeleine. Bestraft wurde dabei nicht der Umgang mit Charmeure sondern letztlich die Diskussion, die stattgefunden hat. Auch wenn Madeleine aus unserer Sicht nichts falsch gemacht hat, übernimmt sie die Verantwortung, denn sie ist auch für die Menschen in ihrem Team zuständig.“

Wir hätten es besser machen können
Nach dem CHIO sieht Nico Witte die Mitnahme von Charmeur mit anderen Augen: „Im Nachhinein muss ich ganz klar sagen, dass die Situation Charmeur überfordert hat. Wir dachten im Vorfeld, dass es eine weitere gute Trainingserfahrung für ihn werden könnte, da auf vorherigen Shows alles gut geklappt hat. Das war so für uns nicht zu erwarten.“
Auf unsere Frage, warum Madeleine Witte-Vrees das Aufwärmen nicht schon früher abgebrochen hat, sagt er: „Wir waren nur 10 Minuten auf dem Platz und haben es dann gelassen, damit sich Charmeur beruhigen konnte. Am nächsten Tag war dann alles deutlich entspannter und besser, das hat uns nicht nur der belgische Richter Jaques van Daalen bestätigt, der Madeleines Reiten sehr gut fand, auch die Stewards, mit denen wir am Vortrag die Probleme hatten, haben uns das bestätigt.“