CHIO 2018: Aufschrei in der Pferdeszene! Wir haben bei Christoph Hess nachgefragt

CHIO 2018: Aufschrei in der Pferdeszene! Wir haben bei Christoph Hess nachgefragt

{jcomments on}Der CHIO in Aachen gilt als eines der wichtigsten Turniere im Spring- und Dressur-Sport, aber auch in den Bereichen Vielseitigkeit, Fahren und Voltigieren und jährlich versammelt sich dort die Szene, um vor großem Publikum um Medaillen und Prämien zu kämpfen. Immer wieder gibt es Proteste über den Umgang mit den Pferden, der von Besucherinnen und Besucher nicht immer als fair, wenn nicht gar noch schlimmer, gesehen wird. In diesem Jahr gab es einen großen Aufschrei in der Szene, verstärkt durch eine sozial-mediale Nachwelle, denn vom Abreitplatz in Aachen gab es einige unschöne Bilder. Grund genug für Country Reiten Magazin, bei Verantwortlichen und anderen Involvierten nachzufragen.

Auslöser der medialen Welle waren Bilder, die Kriemhild Morgenroth, eine Sattlerin mit Stand auf dem CHIO, vom Abreitplatz machte und auf Facebook einstellte. Dort schildert sie, wie sie versucht hat, bei den Stewards vor Ort zu erreichen, dass die Reiterinnen und Reiter auf ihr Fehlverhalten hingewiesen werden sollen. Allerdings hatte sie nicht den Eindruck, entsprechendes Gehör zu finden. In Rahmen dieser Vorgänge wurde auch Christoph Hess unfreiwillig in die Situation gezogen, denn Kriemhild Morgenroth erkannte ihn als früheren FN-Richter und –Verantwortlichen. „Ich war 40 Jahre für die deutsche FN tätig, bevor ich in Pension gegangen bin. Heute bin ich noch freiberuflich für die FN als Ausbildungsbotschafter aktiv und seit über 25 Jahren internationaler Dressur- und Vielseitigkeits-Richter“, sagt Hess und fährt fort: „Aber in Aachen bin ich als einer von zwei Verantwortlichen des Dressur-Radios gewesen und hatte keine Funktion am Abreitplatz. Ich kam nach einem menschlichen Bedürfnis gerade wieder zurück zu meinem Arbeitsplatz, als ich auf die Vorgänge von Frau Morgenroth angesprochen wurde und sie mir mitteilte, dass hier gerade ganz schrecklich geritten würde. Das war ein ganz kurzer Moment, ich hatte gar nicht zum Abreitplatz geguckt und war in Eile, sodass bei ihr vermutlich der Eindruck entstanden ist, ich hätte kein Interesse gezeigt.“

 

Christoph Hess ist jedoch immer offen für Gespräche und Anregungen, wie er betont: „Ich will mich da jetzt nicht rausreden, aber ich habe einfach in dem Moment nicht hingesehen. Ich finde es gut, wenn Menschen solche Beobachtungen melden und in die Diskussion gehen, denn dann können die Verantwortlichen handeln oder eben auch erklären, warum ein Vorgehen in Ordnung ist. Wenn ich selber etwas sehe oder darauf aufmerksam gemacht werde, wo Pferde falsch behandelt werden, dann gehe ich dazwischen, haue auf den Tisch und sage Bescheid, da bin ich auf einer Linie mit der Dame. Zum Glück haben wir das bei einem längeren Gespräch am Samstag dann auch klären können.“

Wenn Christoph Hess Reiterinnen und Reiter sieht, die ihre Pferde schlecht behandeln, dann wird er aktiv: „Bei Mängeln im Umgang würde ich die Stewards sofort ansprechen, die FN mit eingeschaltet und den Veranstalter ebenfalls. Klar, Stewards können bei zehn zu beobachtenden Reitern auch mal etwas übersehen, Fehler machen, wir sind alle Menschen. Aber dann muss man darüber sprechen, am besten direkt im Miteinander und nicht erst später über soziale Netzwerke. Ich finde Social-Media richtig gut und nutze das sehr viel, aber für eine gute Diskussion braucht es eine gemeinsame Informationslage und die ist dort leider oft nicht gegeben.“




Auch wenn er die sozialen Medien für keinen geeigneten Diskussions-Ort hält, so sieht er doch gute Möglichkeiten, auch nach einem Turnier noch aktiv zu werden: „Man kann immer etwas unternehmen, auch wenn das Turnier schon vorbei ist. Dafür ist es wichtig, im wahrsten Sinne des Wortes Ross und Reiter zu benennen und nicht nur pauschal zu verurteilen, denn das bringt niemanden weiter.“

Natürlich haben wir Christoph Hess gebeten, einige der Bilder und Videos, die vom CHIO 2018 existieren, für uns zu bewerten. An den Videos (https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/pcb.1904129186313737/1904180009641988/?type=3, https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/pcb.1904129186313737/1904180299641959/?type=3, https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/pcb.1904129186313737/1904180012975321/?type=3 und https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/pcb.1904129186313737/1904208929639096/?type=3), die Isabell Werth auf dem Abreitplatz zeigen, sieht er nichts Verwerfliches: „Das sind Wechsel, die sie da reitet, um das Pferd zu korrigieren. Um das Pferd in den einzelnen Wechseln sicherer zu machen, reitet sie diese sowohl diese auf gerader als auch gebogener Linie. Isabell ist eine begnadete Wettkampf-Reiterin, die übt solche Wechsel sehr konsequent. Das ist total grüner Bereich für mich, wo ich nichts sagen würde.“

Ein weiteres Video (https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/pcb.1904129186313737/1910163699043619/?type=3), das die in Aachen mit einer gelben Karte verwarnte Madeleine Witte-Vrees zeigt, bewertet er anders: „Da würde ich was sagen, die reitet nicht aus dem Sitz sondern handorientiert. Pferde sind Fluchttiere und wollen nicht festgehalten werden. Wird ein Pferd mit den Zügeln festgehalten, wird sein Fluchtinstinkt stimuliert, was u. a. zu Verspannungen und zum Weglaufen führen kann. Das ist Reiten gegen die Natur des Pferdes. Hier wird eine nicht Pferde-gerechte Reiterei gezeigt.“

Ein weiteres Video (https://www.facebook.com/birgit.fechner.397/videos/1905967819463207/), in dem Christoph Hess Hendrik Lochthowe erkennt, ist für ihn auch kein Beweis guter Reiterei: „Ich sehe ein nicht losgelassenes Pferd, das weder mental noch physisch entspannt ist. Bevor von einem Pferd schwierige Lektionen wie die Pirouetten verlangt werden, muss dieses zuerst einmal entspannen können, sodass der Reiter zum Treiben kommt. Ist das gewährleistet, kann er auch andere Lektionen vom Pferd verlangen. Da würde ich als Stuart genauer hinsehen. Insgesamt muss in diesem Falle noch etwas Entscheidendes ergänzt werden: Das Pferd ist von seinem Versammlungsgrad noch nicht in der Lage, eine so schwierige Lektion wie eine ganze Pirouette zu zeigen. Ohne das Pferd vor dieser Lektion im sogenannten „Pirouetten-Galopp“ zu reiten, wird diese Lektion im Training und auch in der Prüfung nicht in befriedigender Weise gelingen.

Leider muss man aber auch sagen, dass das, was wir beim Turnier und Abreiten zu sehen bekommen, ja immer nur ein Symptom ist und es in den heimischen Ställen beim Training dann oftmals sicher nicht besser zugeht, auch wenn dort der Stress durch das viele Publikum und die neue Situation nicht gegeben ist. Für mich wäre es wichtig, generell viel mehr auf besseres Reiten zu achten. Pferde müssen entspannt präsentiert werden und nicht verspannt.“

Zu den Fotos (https://www.facebook.com/kriemhild.morgenroth/posts/2125496751031423), die Kriemhild Morgenroth vom Abreitplatz gemacht hat, bezieht er klar Stellung: „Was ist da sehe, ist durch die Bank nicht schön. Auch wenn es nur Momentaufnahmen sein mögen. Das sind keine Bilder mehr, die im grünen Bereich liegen. Hier muss man schauen, was die Ursachen sein können, um so etwas abzustellen. Klar, es mag Ausnahmen geben, wo so eine Momentaufnahme entstehen könnte und ich kann nicht alle Reiter direkt vom Pferd holen in so einem Moment, aber es geht am Ende immer darum, gut zu reiten und deswegen bin ich für sitzorientiertes Reiten und nicht die handorientierte Reiterei.“

 

Copyright Fotos: Christoph Hess, Kriemhild Morgenroth